Big brother is watching you
Internet und Smartphones haben Einzug in den Alltag nahezu der gesamten Bevölkerung gehalten, was dazu führt, dass sich öffentliches Leben zunehmend darin abspielt. Dazu gehören politische Debatten in sozialen Netzwerken, Mobi-Aufrufe zu Demos, Instant-Messaging-Dienste und Kulturschaffende, die ihre Inhalte einfach und schnell verbreiten können. Das Internet ist aber auch zu einem Raum der staatlichen Überwachung geworden, denn durch seine Benutzung ist es für Behörden so einfach wie noch nie zuvor, die Bevölkerung auszuspähen. Ein Beispiel dafür ist der sogenannte Bundestrojaner, der es den Kriminalämtern und der Polizei ermöglicht, den gesamten Inhalt der Massenspeichermedien auf den infizierten Rechnern auszulesen, um die gesammelten Informationen strafrechtlich zu verwerten. Nicht zu vergessen ist auch das immer häufiger zum Einsatz kommende Mittel der Funkzellenabfrage, mit dem die Verbindungsdaten aller Menschen, die sich zum Zeitpunkt der Abfrage in der jeweiligen Funkzelle mit ihrem Mobiltelefon befinden, gespeichert und ausgewertet werden. Dieses Mittel kommt häufig bei Demonstrationen zum Einsatz, um vermeintliche Beteiligte an Straftaten zu identifizieren. Dass dabei auch hunderttausende Verbindungsdaten von Bürger_innen mitgespeichert und ausgewertet werden, die nicht im Begriff sind eine Straftat zu begehen, wird von den Behörden billigend in Kauf genommen. Darüber, dass Geheim- und Nachrichtendienste unsere Internetaktivitäten (wie versendete E-Mails, geführte Telefongespräche, Aktivitäten in sozialen Netzwerken und unsere Suchanfragen) ohne öffentliche Kontrolle massenhaft speichern und analysieren, wurde vor den Enthüllungen Edward Snowdens nur gemutmaßt, ist nun aber belegt. Die Mitwisserschaft und tatkräftige Hilfe des BND beim Ausspähen durch die NSA ist hierbei in besonderer Weise hervorzuheben. Auch die immer neuen Vorstöße zur Einführung der Vorratsdatenspeicherung, mit der Internetanbieter verpflichtet würden, alle Verbindungsdaten der Nutzer_innen zu speichern, sind in diesem Zuge nicht außer Acht zu lassen. Nicht nur, dass derartige staatliche Überwachungsmaßnahmen und die daraus resultierende Speicherung sehr intimer Informationen das Sicherheitsrisiko kriminellen Missbrauchs mit sich bringen. Sie schaden darüber hinaus auch einer liberalen Gesellschaft, indem sie das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung und Privatsphäre massiv einschränken und es dem Staat und seinen Behörden so prinzipiell ermöglichen, persönliche Profile von uns Bürger_innen zu erstellen. Wir fordern daher ein Verbot des staatlichen Einsatzes von Spionagesoftware jeglicher Art. Darüber hinaus lehnen wir die Einführung der Vorratsdatenspeicherung und den Einsatz von Funkzellenabfragen im Zuge politischer Veranstaltungen grundlegend ab. Wir setzen uns außerdem dafür ein, dass die Befugnisse des parlamentarischen Kontrollgremiums (dessen Aufgabe es ist, die deutschen Geheim- und Nachrichtendienste zu kontrollieren) ausgebaut werden, um so eine umfassende und demokratische Kontrolle jener zu ermöglichen. Für eine liberale Demokratie ist es unabdingbar, dass sich Bürger_innen zu Themen informieren, über Themen diskutieren und sich zu Protesten organisieren können, ohne dabei das Gefühl zu bekommen, überwacht zu werden. Dies gilt insbesondere auch für den digitalen Raum.
“Ich hab doch nichts zu verbergen!”
Mit einem Account in einem sozialen Netzwerk oder einem E-Mail-Dienst, beim Online-Shopping oder auch bei der Benutzung von Instant-Messaging-Diensten geben wir intime Informationen über uns preis. Dazu gehören unsere Adresse, unser Bewegungsprofil, unser Beziehungsnetz und Informationen über unsere politischen Aktivitäten. Wenn wir im Internet wieder einmal die AGB eines sozialen Netzwerkes oder die einer Suchmaschine akzeptieren, ohne vorher auch nur einen Blick darauf geworfen zu haben, haben wir wieder ein Stück mehr den Blick dafür verloren, wer unsere Daten speichert, analysiert und an wen sie weitergegeben werden. Zwar sind personenbezogene Daten erhebende Unternehmen mit der im Mai 2018 endgültig in Kraft getretenen Datenschutzgrundverordnung dazu verpflichtet, Auskunft über den Umfang, die Speicherung, die Verwendung und die Weitergabe der Daten an Dritte zu geben. Auch haben Nutzer_innen nun das Recht, diesbezüglich Widerspruch einzulegen. Die Dimension des massenhaften Erfassens und der Analyse der eigenen personenbezogenen Daten ist jedoch bei Weitem nicht allen Nutzer_innen bewusst. Außerdem ist eine Nutzung der jeweiligen Dienste ohne Zustimmung der AGB meist auch gar nicht möglich. Deshalb sind wir dafür, dass die nutzer_innenseitigen Möglichkeiten, selbst bestimmen zu können, was mit den eigenen Daten geschieht, ausgebaut werden. Die Zusammenführung von Datensätzen ermöglicht eine noch umfassendere Profilbildung der Internetnutzer_innen. Kauft zum Beispiel ein Social-Media-Konzern (etwa Facebook) einen Instant-Messaging-Dienst (etwa WhatsApp), so bekommt er die Möglichkeit, die Datensätze zusammenzuführen und kann so ein noch besseres Profil seiner Nutzer_innen erstellen. Deshalb fordern wir, dass weder Unternehmen noch staatliche Institutionen, die Zugriff auf mehrere Datenbanken mit personenbezogenen Informationen haben, diese zusammenführen dürfen, um so einer noch stärkeren und genaueren Profilierung entgegenzuwirken. Desweiteren fordern wir Aufklärungsarbeit bezüglich der Verwendung von Cookies, sodass Internetnutzer_innen die Dimension des websiteübergreifenden Trackings verstehen und selbstständig dagegen agieren können. Wir finden zudem, dass das Recht auf informationelle Selbstbestimmung in das Grundgesetz aufgenommen werden muss. Die NSA-Affäre hat gezeigt, dass Geheim- und Nachrichtendienste Zugriff unsere gesamte Kommunikation im Internet haben. Nun kann aber der Kommunikationsfluss von Behörden jedoch nur mitgelesen und ausgewertet werden, wenn er nicht verschlüsselt wird. Sind die ausgetauschten Informationen beispielsweise mit dem RSA-Kryptosystem verschlüsselt worden, so ist es nahezu unmöglich, die übertragenen Informationen mitzulesen. Verschlüsselung ist also ein zentrales Element der informationellen Selbstbestimmung, unter der das Recht verstanden wird, selbst über die Preisgabe und den Gebrauch der eigenen personenbezogenen Daten zu bestimmen. Wir setzen uns deshalb für eine umfassende Bildungsarbeit ein, die Internetnutzer_innen zeigt, wie sie Verschlüsselungsmethoden in ihren digitalen Alltag effektiv integrieren können. Denn mal ganz im Ernst: So schwer isses wirklich nicht. Mit dem Recht auf digitale Selbstbestimmung kommt auch das Recht, im Internet anonym zu bleiben. Deshalb fordern wir, dass Betreiber_innen von Diensten, die die Identität im Internet verhüllen (wie Tor es tut) keine strafrechtliche Verfolgung für den durch diese Dienste entstehenden Internetverkehr droht. Dienste wie Tor bieten effektiven Schutz der eigenen Identität, auf den gerade Menschen, die in Diktaturen leben und/oder verfolgt werden, sehr stark angewiesen sind. Das Bereitstellen und Betreiben derartiger Dienste ist also gelebte Solidarität und muss in jedem Fall frei von staatlichen Repressionen sein.
Billiger Cyber aus der Dose und dazu etwas Kabelsalat
Gerade für junge Menschen, die mit digitaler Telekommunikation aufwachsen, sind das Internet und soziale Netzwerke Freiräume, indem sie sich kreativ entfalten, sich mit ihren Freunden vernetzen, sich selbstständig weiterbilden oder einfach nur ihre Freizeit verbringen können. Deshalb muss die Förderung der Medienkompetenz und das technische Verständnis der von jungen Menschen benutzten Technologien integraler Bestandteil der Lehrplaninhalte an Schulen sein. Derzeitige Lehrpläne sind auf den Umgang mit kommerzieller Software, die für den Berufsalltag nützlich sein könnte, sowie teilweise auf Fertigkeiten wie das Programmieren und den Umgang mit Datenbanken beschränkt. Es fehlt in den Schulen ein umfassender Blick auf die Technologien, die Schüler_innen tagtäglich benutzen. Dieser ist aber notwendig, damit sie selbstständig in der Lage sind, die gesellschaftlichen Auswirkungen, die diese Technologien mit sich bringen, abzuschätzen und den Einfluss, den diese auf sie haben, zu reflektieren. Es gibt nahezu keinen Bereich in dem Computer nicht bereits Einzug gehalten haben. Deshalb dürfen digitale Technologien nicht losgelöst von Gesellschaft und Politik und auf einer ausschließlich technischen Ebene betrachtet werden, sondern müssen fächerübergreifend diskutiert werden. Weil es dafür nicht reicht, in jedes Klassenzimmer eine digitale Tafel zu stellen und dabei die Lehrer_innen mit der neuen Technologie und deren Integration in den Schulunterricht allein zu lassen, müssen die Ausbildung der angehenden Lehrkräfte entsprechend angepasst, sowie die Fortbildungsmöglichkeiten für bestehende Lehrkräfte ausgebaut werden. Gerade weil sich Technologien im Internet mit hohem Tempo entwickeln, ist eine entsprechende Lehrer_innenbildung für eine zeitgemäße Schulbildung unbedingt notwendig. Außerdem darf die bessere technische Ausstattung der Schulen, gerade was die Breitbandanbindung im ländlichen Raum und die Ausrüstung mit modernen Geräten anbelangt, nicht vernachlässigt werden. Dass bei der Ausstattung keine kommerzielle, sondern open-source-Software zum Einsatz kommen muss, ist für uns selbstverständlich. Das Schulprojekt “Chaos macht Schule” ist in dieser Hinsicht ein gutes Beispiel für die Vermittlung von Medienkompetenz und sollte gefördert werden.
Für ein Internet, in dem wir gut und gerne leben
Über das Internet organisieren Menschen Proteste, vernetzen sich, kommunizieren miteinander, Wissenschaftler_innen teilen gewonnene Erkenntnisse und Künstler_innen verbreiten ihre Inhalte, die wiederum von Nutzer_innen genossen werden. Es ist also zu einem Raum geworden, der in sozialer, wissenschaftlicher und kultureller Hinsicht bereichert. Ein fehlender Zugang zum Internet, z. B. aufgrund von fehlender Breitbandverbindungen, schließt Menschen von der kulturellen und politischen Teilhabe aus. Weil, wie der Bundesgerichtshof urteilte, der Zugang zum Internet ein Grundrecht ist, muss der Breitbandausbau vor allem in ländlichen, noch unerschlossenen Gebieten massiv beschleunigt werden, auch wenn der Ausbau für die Netzbetreiber_innen nicht profitabel ist. Werden mit öffentlichen Geldern Studien finanziert oder Daten erhoben die die Allgemeinheit betreffen, wie zum Beispiel Umweltdaten, Karten, Satellitenbilder oder meteorologische Daten, sollten diese frei zur Verfügung stehen sowie strukturiert und maschinenlesbar sein, damit eine Weiterverarbeitung der Daten möglich ist.
Wir fordern
- Verbot staatlicher Überwachungssoftware
- Ausweitung der Kompetenzen des parlamentarischen Kontrollgremiums
- Profiling im Netz verhindern
- Aufklärungsarbeit bzgl. Datenschutz und Internetsicherheit
- Rechtlichen Schutz für die Betreiber_innen von Tor Exit Nodes
- Förderung der Lehrkräfte in Bezug auf digitale Technologien
- Ausschließliche Nutzung von Open Source Software an Schulen
- Bessere technische Ausstattung der Schulen
- Beschleunigung des Breitbandausbaus
- Etablierung von Open Data in Behörden