Ein Gastbeitrag von Stefan Liebich
Traditionell wird die Partei des US-Präsidenten bei den Midterm Elections abgestraft. Die Zustimmungswerte für den Demokraten Joe Biden waren gering, die Benzinpreise hoch und so frohlockten viele bei den Republikanern, und freuten sich schon auf eine „rote Welle“, manche sprachen sogar von einem Tsunami, der die Demokraten hinwegfegen würde. (Rot, das ist für Linke im Rest der Welt etwas verwirrend, ist in den USA die Farbe der Konservativen. Die Demokraten tragen blau.) Aber es kam anders. Zwar wurde am Mittwochabend – eine Woche nach der Wahl – endlich eine knappe Mehrheit der Republikaner im Repräsentantenhaus verkündet. Aber schon am Samstag zuvor war klar, dass der wichtige Senat in der Hand der Demokraten bleibt. Aus der „roten Welle“ wurde ein laues Plätschern. Die Demokraten sind mit einem blauen Auge davon gekommen. Aber die Gefahr für die Demokratie ist nicht gebannt. Die Republikaner haben sich in eine rechtsradikale Trump-Sekte verwandelt und kontrollieren jetzt das Repräsentantenhaus. Für Joe Biden und die Demokraten wird es somit deutlich schwerer, ihre politischen Vorhaben umzusetzen. Und auch Donald Trump ist noch da und hat eine erneute Kandidatur als Präsident angekündigt.
Andererseits hat das Wahlergebnis gezeigt, dass mit einer hohen Wahlbeteiligung, gerade unter jungen Leuten, der drohenden Gefahr des Autoritarismus etwas entgegengesetzt werden kann. Besonders erfreulich ist, dass die Linke besser abgeschnitten hat als je zuvor. Als Alexandria Ocasio-Cortez aus New York City im Jahr 2018 das erste mal in das Repräsentantenhaus gewählt wurde und mit drei weiteren nicht weiße Frauen „The Squad“ bildete, war das eine Sensation. 2020 kamen dann zwei weitere Abgeordnete hinzu. Am vergangenen Dienstag gratulierte der ehemalige Präsidentschaftsbewerber und Senator Bernie Sanders acht (!) weiteren linken Abgeordneten zur Wahl. Mehr als eine Verdopplung in nur vier Jahren – gerade die Linke aus Deutschland sollte so ein Ergebnis nicht gering schätzen.